Rollermobil - Zweirad trifft Auto

  • Rollst du noch oder fährst du schon?
    Zurück in die Zukunft
    Um das Phänomen besser zu verstehen, lohnt sich kurzer ein Blick in die Vergangenheit. Rollermobile waren in Deutschland und darüber hinaus in vielen Teilen der Welt nämlich schon einmal deutlich weiter verbreitet als heute. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Wirtschaft in Europa am Boden. Allerdings begann schon kurz darauf eine ökonomische Wachstumsphase, die in Westdeutschland als "Wirtschaftswunder" bezeichnet wurde. Der PKW entwickelte sich vom Luxusgut zu einem Konsumprodukt, allerdings waren Mittelklasse-Modelle wie etwa ein Volkswagen Typ1 (VW Käfer) für breite Teile der Bevölkerung auch in den 1950er und 1960er-Jahren immer noch unerschwinglich. Aus Zweirad-Technik wie luftgekühlten Einzylinder-Zweitaktmotoren und kettenbetriebenem Hinterrad wurden in der Folge so kostengünstigere Fahrzeuge hergestellt, die sich immer mehr Menschen leisten konnten. Fun Fact: Sogar das DDR-Fahrzeug schlechthin, der Trabant, ist ein Resultat dieser Dynamik in der frühen deutschen Fahrzeugtechnik. In Westdeutschland hingegen entstanden Leichtfahrzeuge-Klassiker wie beispielsweise BMW Isetta oder Messerschmitt KR 200. Im Ausland sieht man bestimmte Modelle der Kategorie Kleinstwagen durchaus noch häufiger. Den italienischen Klassiker Piaggo Ape 50 kennt jeder. Viele asiatische Länder produzieren Kabinenroller im großen Stil, die der Tourist etwa als Autorikscha erleben kann.

    Die inneren Werte
    Als Technik-Freak will man wissen was im Rollermobil steckt und was ein solches Fahrzeug leisten kann. Ist es nur ein Spielzeug für zu groß geratene Kinder oder ist es ernst zu nehmen? Werfen wir einen Blick auf die klassische Version mit Verbrennermotor und später auf die aktuelle Entwicklung im Bereich Elektroantrieb.
    Als Paradebeispiel einer Verbrenner-Version des aktuellen Standards dient ein neues Modell des Traditionsherstellers Messerschmitt. Die Rollermobil-Serie von 2021 wird mit 125 Kubik-Motor produziert. Das Leergewicht fälllt mit rund 200 Kilogramm niedriger aus als bei den Kultfahrzeugen aus den 1950er-Jahren, was unter anderem am materiellen Einsatz von Fiberglas und Aluminium liegt. Der Einzylinder-Motor besitzt eine Leistung von 7,3 PS und die Reichweite des Rollermobils beläuft sich bei optimalen Bedingungen auf rund 160 Kilometer, wobei der Spritverbrauch bei circa 3 Litern pro 100 Kilometern liegt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 90 km/h. Im Detail unterscheiden sich diverse Modelle verschiedener Hersteller hinsichtlich der technischen Eckdaten vor allem beim Gewicht und bei der erreichbaren Höchstgeschwindigkeit. In der Vergangenheit wurden regelmäßig Motoren mit Leistung jenseits der 10 PS verbaut und auch der Hubraum lag serienmäßig bei deutlich über 200 Kubikzentimetern. Der Grundaufbau des Rollermobils ist damals wie heute grundlegend derselbe, Hinterradantrieb über Kette wie beim Zweirad wird mit Bedienelementen des PKWs kombiniert, allerdings unterscheidet man nach wie vor zwei Hauptkategorien: Dreirad (Trike) und Vierrad (Quad). Des Weiteren hebt sich auch heute wieder die Sparte der Neigungslenker vom Rest ab. Das Fahrgefühl entspricht hier mehr dem eines Zweirads als dem Fahren eines PKWs.
    Aktuelle Rollermobile haben einen Radstand um 1600 bis 2000 Millimetern und sind in der Regel ungefähr 1500 Millimeter hoch. Der Beifahrersitz ist bei Leichtfahrzeugen wie dem Renault TWIZY hinter dem Fahrersitz angebracht, was eine geringe Fahrzeugbreite diesseits der 1500 Milimeter ermöglicht.

    Pro und Contra
    Die offensichtlichsten Nachtteile eines Rollermobils sind eingeschränkte Leistung und geringe Abmessungen. Kann dir ein Kleinfahrzeug in bestimmten Situationen wie etwa der Parkplatzsuche auch zum Vorteil geraten, Komfort auf längeren Fahrten sieht definitiv anders aus. Es wird deutlich, dass Kabinenroller heutzutage maximal für kurze Ausflüge und Besorgungsfahrten sowie für den Weg zur Arbeit gedacht sein können. Nimmst du einen Beifahrer mit, wird es gezwungenermaßen etwas kuschelig. Die gängigen Sicherheitsstandards sind integriert, doch von einer Knautschzone kann man nicht wirklich sprechen. Somit muss dir bewusst sein, dass man als Fahrer oder Passagier in einem Leichtfahrzeug bei bestimmten Unfallarten einem höheren Sicherheitsrisiko ausgesetzt ist als im Auto.
    Doch schlechtreden ist hier fehl am Platz. Ein Rollermobil kann dir im individuellen Fall einige große Vorteile bescheren. Die Leichtfahrzeuge haben auch heute noch eine starke Berechtigung. Niedrigere Regulierungen und finanzielle Aspekte spielen hier neben den kompakten Fahrzeugmaßen eine große Rolle. Personen, die vor 1980 das 15. Lebensjahr vollendet haben, dürfen Kabinenroller mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h in Deutschland ohne Führerschein fahren. Jüngere Menschen ohne PKW-Führerschein benötigen dazu mindestens eine Berechtigung der Klasse Mofa. Für Leichtfahrzeuge, die schneller fahren, ist ebenfalls die Führerscheinklasse AM (je nach Alter des Dokuments "A beschränkt" genannt) von Nöten. Das Mindestalter des Fahrers beträgt somit 16 Jahre. Rollermobile sind trotz Straßenzulassung in der Regel TÜV- und steuerfrei, was sie auch deshalb finanziell attraktiv macht.

    Elektrifizierte Rollermobile
    Der Trend der Elektromobilität startete noch vor dem Hype im Automobilmarkt bei den Leichtfahrzeugen. Kabinenroller mit E-Antrieb wie der TWIZY von Renault liefen bereits 2011 serienreif vom Band. Zehn Jahre später erfasst die Thematik den Bereich der Rollermobile mit einer breiteren Auswahl an Modellen und verhilft dem Markt zu einem Revival. Der neue ökologische Fokus in Gesellschaft und Politik regt eine neue Käuferschicht, vorrangig aus urbanen Lebensräumen, an. Traditionshersteller wie Messerschmitt werben mit E-Versionen ihrer Kultfahrzeuge. Der KR-E 5000 wartet mit 5 Kilowatt starkem E-Motor und 70 Volt-Batterien auf. Bei der Reichweite von 80 Kilometern ist sicherlich noch Platz nach oben. Auch die langen Ladezeiten könnten potentielle Kunden bislang abschrecken. Einige Produzenten ermöglichen allerdings bereits den Austausch der Batterie durch den Nutzer. Somit wird auch die mögliche Reichweite verdoppelt. E-Rollermobile sind in Deutschland bereits ab ca 3000EUR (Trike) bzw. 4000EUR (Quad) zu haben. Die teuersten Modelle bewegen sich im Preisrahmen zwischen 10.000EUR und 15.000EUR. Die E-Fahrzeuge liegen im Allgemeinen preislich stets etwas über den Kabinenrollern mit Verbrennungsmotor. Viele Hersteller produzieren jedoch eh nur noch elektrisch betriebene Modelle.

    Nischenprodukt mit hohem Potential

    Alles in allem ist es nicht abzustreiten: Das Rollermobil ist Stand heute kein massenfähiges Produkt. Die Sparte begeistert Liebhaber und ökologisch-futuristisch besonders interessierte Menschen. Mit den technisch rasant steigenden Möglichkeiten der E-Mobilität und durch den gesellschaftlich langsam aber sicher zu erkennenden Wandel hin zu einer bewussteren und minimalistischeren Lebensweise, lässt das Produkt Rollermobil jedoch viel Entwicklungspotential zu erwarten. Besonders für eine junge Käuferschicht aus Singles dürfte der Kabinenroller im neuen Gewand der perfekte Kompromiss zwischen Zweirad und Auto sein, der zu lange vom Markt verschwunden war.

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